Selbstoptimierung und die eigenen vermeintlichen Träume zu jagen, ist äußerst hipp. So scheint es mir zumindest dieser Tage. In den bunten Welten von Youtube, Instagram, Facebook und Konsorten scheint alles so wunderbar klar, übersichtlich und „positiv“. Du kannst, wenn du nur willst. Du musst nur den inneren Schweinehund besiegen, dann wird das schon.
„Lebe deinen Traum, genieße dein Leben und erreiche deine Ziele“ schreit’s von allen Dächern und aus jedem dritten Youtube-Channel. Selbstoptimierung rules. Versteh mich nicht falsch: Ich bin der Letzte, der etwas dagegen einzuwenden hat, die beste Version seiner Selbst zu werden. Allerdings muss der Preis stimmen.
Das Gegenteil von Weiterentwicklung würde schließlich bedeuten, sich in rechtfertigender Passivität den jahre- oder jahrzehntelang einprogrammierten Glaubenssätzen und dem Leben generell kampflos zu ergeben.
Nein, das ist sicherlich eine noch schädlichere Taktik, als dem Social-Media-Selbstoptimierungswahn zu verfallen. Hier befindet man sich wenigstens halbwegs auf einer zielgerichteten Reise, auch wenn sie manchmal in einer Sackgasse enden kann.
Rein passiv durchs Leben zu gehen, hieße jedoch, gar kein Ziel zu haben. Schon der Lateiner wusste immerhin:
„Errare humanum est“ (dt.: „Irren ist menschlich“)
Daher lieber zielgerichtet den Weg in eine Sackgasse gehen, zu lernen umzukehren und einen anderen Weg versuchen, als sich passiv durchs Leben schubsen zu lassen wie ein Kajak ohne Ruder auf dem Ozean. So zumindest meine Meinung.
Inhaltsverzeichnis
Die Sache mit den sozialen Medien
Nun leben wir unzweifelhaft in einer Zeit, die von sozialen Medien geradezu dominiert wird. Verbunden natürlich mit all ihren Vor- und Nachteilen: Im Bett nachts wird vor dem Einschlafen nochmal auf Facebook, Instagram oder Pinterest gesurft und durch ein Schaufenster die Leben von vermeintlich glücklichen, erfolgreichen, sportlichen, hippen und durch die Bank positiven Menschen betrachtet.
Selbstoptimierung quasi in Dauerbeschallung. Für das eigene Gehirn vor allem kurz vor der Tiefschlafphase eine mittelprächtige Katastrophe, was dir jeder Psychologe so bestätigen wird.
Ein weiteres Problem dabei: Es sind oft keine Prominenten, sondern teilweise die eigenen Freunde und Bekannten, die solche vermeintlich „perfekten Leben“ führen und nach Außen zur Schau stellen. Das kann unter Umständen dann schon an deinem eigenen Selbstwert nagen.
Wenn es enge Freunde sind, dann ist diese „Fassade“ der Selbstdarstellung noch halbwegs einfach zu durchschauen. Hat man aber 1000+ „Freunde“ auf der Freundesliste, dann kann dir die Differenzierung durchaus mal schwer fallen. Hier kann dann tatsächlich dein Selbstbewusstsein geschädigt werden.
Alles Übel steckt im Vergleich
Wenn uns diese Differenzierung schwer fällt, dann lauert dort ein wahrer Glücklichkeits- und Zufriedenheits-Killer: Der Vergleich. Du kennst dein eigenes Leben in- und auswendig. Dann siehst du Bilder, wie deine Kindheitsfreunde auf Hawaii surfen, die große Karriere machen oder offenbar dauerhaft nur am Feiern sind.
Mögliche logische Folge dessen:
- Im Positiven: Du hinterfragst dein eigenes Leben und reflektierst selbstkritisch. Du kannst dann an einigen Stellschrauben drehen und deinem Leben vielleicht neuen „Pepp“ verleihen, ohne gleich das neue Supertalent werden zu müssen.
- Im Negativen: Du entwickelst Neid und Missgunst, wodurch die sozialen Medien teilweise regelrecht zu assozialen Medien mutieren (Quelle).
Ich würde mich festlegen, dass in der großen Masse tatsächlich die negativen Folgen bei der Social-Media-Nutzung überwiegen. So gibt es schon länger Studien die besagen, dass soziale Netzwerke bei starker Nutzung unglücklich und einsam machen können (hier und hier). Sogar Facebook ist mittlerweile auffällig selbstkritisch in diesem Zusammenhang.
Neben weiteren zahlreichen Gründen liegt es auch hier vor allem am stetigen Vergleich mit anderen Menschen und deren öffentlich zur Schau gestellten „Leben“.
Nicht umsonst führen sogar die Hersteller von Smartphones neue Gimmicks wie die Messung der Bildschirmzeit ein (Quelle).
Achtung Marketing!
Aber ich kann dich auch beruhigen: Wenn du die glamourösen Bilder Einiger auf Facebook und Instagram siehst, dann kannst du in einer großen Zahl der Fälle einfach davon ausgehen, dass es nichts anderes als Werbung, Selbstvermarktung und geschicktes Marketing ist. Aktuelles Modestichwort: Influencer-Marketing.
Da hockt dann das begattungswürdige blonde Püppchen zuhause bei sich auf der Couch und erzählt dir aufgestylt und geschminkt Irgendwas darüber, wie du deine Haare machen kannst. „Zufällig“ greift sie dann zu einem Lockenstab der Marke XY, den du auch noch in den Links unterhalb des Beitrages oder Videos kaufen kannst. Oder im Hintergrund steht auffällig unauffällig das Produkt der Marke XY herum.
Selbstredend verdient die Tussi dann mit, wenn du über ihren Link den Lockenstab kaufst oder überhaupt indem du ihren Kanal anschaust. An sich finde ich diese Art des Geldverdienens auch nicht verwerflich, Prostitution gab es ja schon immer ;-).
Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zu Zeiten vor dem Internet und dem aktuellen Influencer-Marketing:
Konnte man früher zu Zeiten des guten alten Fernsehens und Radios noch genau zwischen Werbung und Inhalt unterscheiden, so ist dies auf Social Media-Kanälen inzwischen oft nicht mehr der Fall. Vorwiegend junge Leute halten die gezeigten Bilder und Videos tatsächlich für Realität, was mehr als fatal sein kann.
Denn wenn du den Unterschied zwischen echter Selbstoptimierung im Sinne Persönlichkeitsentwicklung und plumpem Marketing nicht mehr kennst, dann könntest auch du mit der Zeit ein psychologisches Problem aufgrund der Realitätsverzerrung bekommen. Schleichend und meist wenig offensichtlich.
Psychische Probleme dank Social Media
Wenn immer mehr Menschen psychische Probleme durch die Nutzung von Social Media bekommen, sich gestresst, gehetzt, dauererreichbar oder unglücklich fühlen, dann lassen sich wiederum auch immer besser vermeintliche Hilfsangebote über die Social-Media-Kanäle vermarkten. Seien es Seminare für innere Ruhe, Meditation, Coachings oder das übliche Motivationseinerlei.
Auch hier mich bitte nicht missverstehen: Es gibt zahlreiche wirklich gute und tatsächlich hilfreiche Angebote, Konzepte, Bücher und Videos auf dem Markt, teilweise auch kostenlos. Manche stelle ich an dieser Stelle auch vor. Von diesen positiven Beispielen spreche ich hier aber nicht. Ich spreche von den schwarzen Marketing-Schafen.
Bei ihnen ist es so, dass du oftmals nur mit einer „genialen Erkenntnis“ oder einem „genialen Konzept“ oder Produkt getriggert/gelockt wirst, um dann in einem weiteren Schritt vor allem Geld auszugeben, sobald es dann in die Tiefe jenseits von Facebook und Youtube geht. Ähnlich einer Sekte.
Ist diese Tiefe dann qualitativ hochwertig, ist es eine klasse Sache. Wenn nicht, dann Glückwunsch: Du bist eines von tausenden Bauernopfern.
Selbstoptimierung ja – aber bitte mit Maß
Somit gilt auch beim Thema Selbstoptimierung wie überall: Die Dosis macht das Gift.
Wenn sich zu der „gesunden Dosis“ dann auch noch kritisches Hinterfragen deinerseits gesellt, dann bist du meiner Meinung nach schon auf einem ziemlich guten Weg, eben nicht den schädlichen psychologischen Dynamiken der Neuzeit wie Neid, Missgunst, Depression oder Burnout auf den Leim zu gehen. Im Gegenteil, dann hast du tatsächlich die Möglichkeit konstant weiter zu wachsen und Neues auszuprobieren.
Vielleicht hilft es, sich manchmal einfach vorzustellen, dass auch das blonde Insta-Püppchen ab und zu aufs Klo muss und sich dieser Vorgang dann in allen seinen Details vermutlich nicht wesentlich von dem deinen unterscheidet.
Oder dass sich auch der surfende Dauerpartygänger zur Finanzierung seines geilen Lifestyles im Alltag wieder ziemlich im Hamsterrad verbiegen muss. Ja vielleicht gar seine Erfahrungen auf Schulden aufbaut, wie es bei den vielen unter 30-jährigen, bei Mama wohnenden, AMG-Mercedes-Disko-Checkern oft der Fall ist.
Oder du das nächste Mal etwas kritischer hinterfragst, wieso dir Jemand auf Facebook aus heiterem Himmel einen geilen gesunden neuen Lifestyle mit einem geilen Team anbietet. Vielleicht sollst auch du einfach nur in einem Strukturvertrieb Gemüsepillen verkaufen. Vielleicht hat das ja dann doch gar nichts mit Nächstenliebe zu tun, sondern lediglich mit Selbstliebe des Anwerbers?
Oder du eben – und das ist das Schwerste überhaupt – aufhörst, dich mit Anderen zu vergleichen. So entziehst du automatisch so manchen Marketinglern deren Grundlage.
Finanzielle Selbstoptimierung
Auch bei der finanziellen Selbstoptimierung gilt: Nicht übertreiben. Wer sich zu sehr finanziell einengt, der geht eine gefährliche Wette auf die Zukunft ein und verpennt unter Umständen sein aktuelles Leben im Hier und Jetzt*.
Wahrscheinlich reicht es für die Meisten, die explizit nicht das oberste Ziel der finanziellen Freiheit haben, aus, ihre monatlichen Ausgaben kritisch zu prüfen und die Sparquote etwas zu erhöhen.
Ich selbst habe auch meine Finanzen in den letzten Jahren konsequent vereinfacht, sprich meine Anzahl an ETFs und Einzelaktien reduziert, dadurch finanziell mehr fokussiert und den zeitlichen Aufwand für die Verwaltung des Depots gesenkt.
Selbstoptimierung – Mein Fazit:
Ich selbst bin mittlerweile sehr vorsichtig mit der Selbstoptimierung, wie sie durch die (jungen) Medien derzeit transportiert wird. Immer öfter stelle ich beim Blick hinter die Kulissen geschicktes Marketing und Clickbaiting fest. Nur allzu schnell ist man selbst Kunde eines Bedürfnisses, welches durch das umfangreiche Angebot überhaupt erst geweckt wurde. Also ist Aufpassen angesagt, nicht Alles ist Gold was glänzt, geschweige denn tatsächlich nützlich.
Kürzlich ist mir das auch beim Thema finanzielle Freiheit als Schlagwort aufgefallen. Vieles (nicht Alles!) ist einfach nur Marketing, was aber an der genialen Grundidee (Freiheit) und der Realisierbarkeit für mich jedoch nichts ändert.
Maßnahmen gegen übertriebene Selbstoptimierung
Gute Erfahrungen habe ich persönlich mit folgenden Schritten gegen den Selbstoptimierungswahn gemacht:
- Ich höre mehr auf meinen Bauch. Stimmt das Gefühl nicht mehr, dann gehe ich den eingeschlagenen Weg nicht weiter und probiere lieber etwas Neues
- Weniger Zeit auf Facebook ist mehr Zeit im realen Leben mit realen Hobbies und realen Menschen, ganz ohne Fassade.
- Meditation und Stille helfen: Ab und zu einfach nur Ruhe und Stille, ganz ohne Handy, Computer, sozialem Hintergrundrauschen, stattdessen mit einem ruhigen Geist.
Zugegeben, anfangs fällt es sehr schwer, weil wir heute dazu gedrillt werden, ständig mit unserer Aufmerksamkeit hin- und her zu springen (Quelle). Dadurch gelingt es uns immer weniger, uns längere Zeit auf nur eine Sache zu konzentrieren. Hier spielen dann die Social Media ihre teilweise toxische Wirkung vollends aus.
Falls dich das Thema über diesen Beitrag hinaus interessiert, liste ich dir nachfolgend noch weitere – meiner Meinung nach – lesenswerte Artikel zum Thema Selbstoptimierung auf:
- „Der Selbstoptimierungs-Wahnsinn und warum wir ihm verfallen“ (Link)
- „Jeder kann alles, nichts ist unmöglich: Wenn Selbstoptimierung grenzenlos wird“ (Link)
- „Wie das Bedürfnis nach Individualität uns alle gleich langweilig macht“ (Link)
Welche Erfahrungen mit der Selbstoptimierung hast du bereits gemacht?
Eventuell verstehe ich ja deine Ironie nicht, aber wie Ernst soll ich einen Artikel nehmen, der Instagram-Influencer mit Prostituierten wegen Product Placements vergleicht und dann im nächsten Absatz einen Refferal-Link zu Amazon platziert hat?
Hi!
Danke für deinen kritischen Einwand. Kritisches Feedback ist mir immer sehr willkommen.
Aber nun zu deiner Sachkritik:
Ich bin durchaus der Ansicht dass es einen großen Unterschied zwischen reinem und transparent ausgewiesenem Affiliate-Marketing und verschleierten Produktplatzierungen gibt.
Ich habe meine Kritik alleine auf den Umstand bezogen, dass manche Influencer als attraktive Menschen durch Illusionen in Videos einen Lifestyle transportieren möchten und dabei aber schlicht nur verschleierte Werbung betreiben und sich verkaufen.
Hat für mich etwas mit Ehrlichkeit und Authentizität zu tun. Aber niemand muss natürlich meine Ansicht darüber teilen 😉
Gruß