Zertifikate

Langfristiges Sparen und Zertifikate? Das passt eigentlich nicht zusammen. Eigentlich. Ich habe dennoch Zertifikate für mich als weiteren Baustein meiner Vermögensbildung entdeckt. Wieso, das werde ich nachfolgend erklären.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Zertifikate?

Doch zunächst mal zur Erklärung: Zertifikate gehören zur Produktklasse der Derivate. Im Gegensatz zu Aktien und ETFs handelt es sich bei Derivaten jedoch nicht um reale Vermögenswerte, sondern eigentlich um Wetten auf einen Basiswert (Einzelaktie, Dax, Gold, Öl usw.). Es sind sogenannte abgeleitete Anlageprodukte, daher der Name (lat. derivare = ableiten).

Jemand kauft zum Beispiel ein Derivat auf einen steigenden Dax. Der Anleger wettet quasi darauf, dass der Dax steigt, das Zertifikat verbrieft diese Wette. Wenn der Dax steigt, gewinnt das Zertifikat an Wert. Verliert der Dax, verliert das Zertifikat an Wert. Den Dax selbst hat der Anleger physisch als Sachwert jedoch nie besessen.

Arten von Zertifikaten

Es gibt tausende verschiedene Arten von Zertifikaten*. Mit oder ohne Hebel. Ein Hebel von 10 bedeutet beispielsweise, dass 1 % Kursbewegung 10% Wertanstieg des investierten Betrags bedeutet. Mittels Hebel lassen sich also mit geringen Summen Bargeld, enorme Kursgewinne erreichen. Oder eben enorme Kursverluste.

Ich persönlich habe in der Vergangenheit ausschließlich negative Erfahrungen mit Hebelprodukten jeder Art (Faktor-Zertifikate, Optionsscheine, Turbo-Zertifikate, Knock-Out-Zertifikate usw.) gemacht. Zum einen, weil ich die teilweise willkürliche Preisgestaltung nicht verstanden habe (Optionsscheine) oder der Markt gegen mich lief (Faktor-Zertifikate) und ich teilweise Totalverlust gemacht habe (Knock-Out-Zertifikate). Zwar reizen die hohen Gewinnmöglichkeiten durchaus, aber wie im Casino gilt auch hier: Am Ende gewinnt die Bank.

Somit habe ich für mich entschieden, von sämtlichen Hebelprodukten (die ja letztendlich auch kreditfinanziert sind) mit Ausnahme der CFD meine Finger zu lassen. Endgültig und konsequent. Ich traue es mir einfach nicht zu, mit gehebelten Zertifikaten den Markt zu schlagen, da bin ich ehrlich. Mein Fokus ist inzwischen das langfristige Investment.

Zertifikate können genauso wie Aktien und ETFs regulär über einen Online-Broker an den jeweiligen Börsen ge- und verkauft werden. Wenn ihr also bereits einen Broker habt, dann dürftet ihr direkt loslegen können.

Welche Online-Broker sind empfehlenswert?

Nun, die wie immer im Leben gilt auch bei der Suche nach einem geeigneten Broker: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es einfach nicht. Jeder Broker hat seine Stärken und Schwächen. Bedenkenlos empfehlen kann ich jedoch die folgenden 5, wobei die konkrete Wahl natürlich immer bei dir liegt:

Die für dich passenden Zertifikate kannst du zum Beispiel in einem Derivate-Finder suchen. Wichtig ist bei der Suche immer die Angabe des gewünschten Basiswertes, z.B. den DAX oder eine beliebige Einzelaktie.

Welche Zertifikate nutze ich?

Eine Gruppierung der Zertifikate (zugegebenerweise die langweiligsten) hat es mir dennoch zeitweise besonders angetan, nämlich die 1:1 Zertifikate oder oft auch als Partizipationszertifikate bezeichnet. Diese sind ungehebelt, haben keine feste Laufzeit und entwickeln sich nahezu 1:1 mit dem Basiswert.

Beispiel Partizipations-Zertifikat auf den Dax:

Der DAX steigt 2 %, das Zertifikat gewinnt 2 %. Der DAX verliert 2 %, du hast 2 % Verlust auf dem Papier. Vorteil ist auch die transparente Preisgestaltung dieser Zertifikate. Bei einem Dax-Stand von 10000 Pkt. kostet ein solches Zertifikat in etwa 100 Euro. 10.500 Pkt. entsprechen in etwa 105 Euro usw.

Natürlich gibt es noch einen Spread (Geld-Brief-Kurs) und Transaktionskosten eures Brokers die beim Handel noch berücksichtigt werden müssen. Dennoch könnt ihr alleine durch einen Blick auf den Dax schon in etwa einschätzen, wie euer Zertifikat gerade steht und je nach Anzahl der Zertifikate wie hoch euer (Buch)Gewinn ist. Im Gegensatz zu Optionsscheinen und gehebelten Zertifikaten gibt es hier keine Laufzeit, kein Zeitwertverlust, keine Knock-Out-Schwelle usw, dafür aber dann auch nicht die astronomisch hohen Gewinnchancen, die jedoch meiner Ansicht nach auch mit einem viel zu großen Risiko eingekauft wurden.

Aber Achtung: Der Emittent kann jederzeit das Zertifikat wieder vom Markt nehmen. Zwar wird dies in der Regel 1 Jahr im Voraus angekündigt, wenn das eigene Zertifikat aber gerade stark im Verlust ist, kann das durchaus ein Problem sein.

„Wieso dann nicht gleich einen ETF auf den Dax kaufen? Der entwickelt sich doch auch 1:1 und kostet in etwa das gleiche“

Hier gibt es mehrere Ansichten in der Finanzwelt. Die einen sagen, dass Partizipationszertifikate in Zeiten von ETFs nicht mehr nötig sind, die Gegenseite sagt genau das Gegenteil.

Ich jedoch nutze beides. Die ETFs als reale Sachwerte für die langfristigen Anlagen und den Aufbau meines passiven Einkommens, die Partizipationszertifikate nutze ich kurz- bis mittelfristig zur Performance-Verbesserung meines Gesamt-Portfolios.

Das tue ich aus folgendem Grund, den ich euch anhand eines Beispiels erklären möchte:

Wenn ich zum Beispiel einen ETF-Sparplan auf den Dax laufen habe, in den ich jeden Monat investiere. Zum Jahresbeginn steht der DAX beispielsweise bei 9800 Punkten. Im Jahresverlauf steigt er (siehe 2015) auf 12400 Punkte. Zum 31.12. ist der Dax aber wieder bei 9800 Punkten. Über das Jahr hin gesehen hat der ETF also +/- 0 % gemacht (den Cost-Average-Effekt ignoriere ich hier mal, sagen wir er fällt aufgrund der hohen Summen nicht mehr groß ins Gewicht).

Ich habe in diesem Falle mit dem Dax keine nennenswerte Rendite erzielt, da ich dauernd investiert war und nicht zu- und verkauft habe.

Einsatz der Partizipationszertifikate

Nun kommen meine 1:1 Zertis ins Spiel: Parallel zum sowieso laufenden ETF, kaufe ich einmalig Zertis bei 9800 Punkten. Wenn diese gut im Gewinn sind, verkaufe ich sie zu vorher festgelegten Parametern (z.B. bei 5-10 % Gewinn). Bei einem guten Einstiegspreis steige ich erneut ein und verkaufe sie erneut oder kaufe nach, wenn der Dax etwas einbricht.

Dadurch komme ich auf eine Performance von mehr als den 0% des ETF, alleine durch Kauf- und Verkauf der Zertis. Theoretisch habe ich ja schon mit dem ersten Verkauf meine 5-10% gemacht, aber nicht p.a. sondern innerhalb weniger Wochen/Monate. Natürlich fallen dabei auch höhere Transaktionskosten und Maklergebühren an. Aber selbst wenn diese absolut gesehen meinen Gewinn von 10 Prozent auf 9 Prozent reduzieren, ist dies immernoch mehr als mit meinem ETF (zumal dieser ja auch Gebühren kostet und dadurch sogar an Wert verliert…).

Auf diese Weise erhöhe ich meine Gesamt-Performance des Portfolios deutlich. Wenn der Dax also 0% übers Jahr macht, so habe ich durch die Schwankungen und den kurzfristigen Handel mit Zertifikaten dennoch einen ordentlichen Profit gemacht. Mein ETF hat wenn überhaupt dann nur durch den Cost-Average-Effekt an Wert zugelegt, jedoch in kaum merkbarer Art und Weise (je nach Kaufzeitpunkt).

Durch die leichte und schnelle Handelbarkeit der Zertifikate und die theoretisch (!) unbegrenzte Haltedauer kann ich quasi die Nachteile des Cost-Average-Effekts ausgleichen und meine Performance deutlich erhöhen. Das funktioniert prima.

Klar könnte ich stattdessen auch immer ETF auf den Dax kaufen und verkaufen. Dafür sind diese aber meiner Meinung nach nicht gemacht, weshalb ich lieber bei den Zertifikaten bleibe.

Gibt es Risiken?

Meiner Meinung gibt es bei Partizipationszertifikaten nur ein wirkliches Risiko, nämlich das Emittentenrisiko. Geht zum Beispiel die Bank Pleite, mit der du gewettet hast und die die Zertis herausgegeben hat, hast du einen Totalverlust erlitten. Den einen oder anderen hat dieses Schicksal bei der Lehman-Pleite ereilt. Daher unbedingt nur Zertifikate von seriösen und zukunftssicheren Banken kaufen. Aber was heißt schon zukunftssicher in einer richtigen Krise?!

Im Gegensatz zu ETFs zählen diese Zertifikate nämlich auch nicht zum Sondervermögen, weil sie keine realen Werte sondern abgeleitete Finanzinstrumente sind. Es sind stark vereinfacht gesagt Wetten auf Papier. Geht die Bank Pleite, hast du eben verzockt. Bei ETFs sind deine Vermögenswerte geschützt, weil du in der Regel nicht direkt mit der Bank handelst.

Daher rate ich zu Zertifikaten lediglich auf kurz- bis mittelfristiger Zeitebene oder eben auch für Trader. Für Buy-and-Hold-Investoren die sich ein passives Einkommen aufbauen möchten, sind sie meiner Meinung nach nicht geeignet, auch weil die Emittenten die Zertifikate jederzeit vom Markt nehmen dürfen. Daher unbedingt auch die AGBs der Bank lesen bzw. den Produktprospekt der Zertifikate.

Verlässlichkeit über Jahre sieht anders aus. In der Regel wirst du aber mindestens 1 Jahr vor Auslaufen durch deinen Broker benachrichtigt, sodass du sie rechtzeitig aus deinem Portfolio entfernen kannst (hoffentlich mit Gewinn).

Auf welche Basiswerte „wette“ ich?

Ich persönlich handele manchmal Zertifikate auf den Öl-Preis, den Gold-Preis, den Dax und den Short-Dax. Je nach Börsensituation gewichte ich das eine oder andere mehr oder weniger. Auch kaufe ich mal bei Verlust nach, solange es sinnvoll ist. Alle Zertifikate verkaufe ich nach einer Gewinnschwelle, die ich mir persönlich vorher gesetzt habe (z.B. bei 10% Gewinn) und steige nach einer Korrektur wieder ein. Sind sie stark im Verlust, kaufe ich nach. Einen Totalverlust kann ich theoretisch nur erleiden wenn die Bank Pleite geht oder der Dax auf 0 Punkte abstürzt, sprich alle großen Unternehmen Deutschlands sind nichts mehr wert. Das erste Risiko halte ich für kalkulierbar, das zweite für ausgeschlossen.

Für mich laufen Zertifikate nebenher und werden regelmäßig gecheckt, während sich mein ETF-und Aktien-Portfolio langfristig aufbauen darf, ohne dass ich regelmäßig interveniere oder reinschaue.

Ich kann aber auch verstehen, wenn viele generell von Derivaten abraten. Für mich funktionieren Zertifikate inzwischen (seitdem ich den Hebel weglasse) aber ganz gut. Davor gab es nur Verluste, mittlerweile habe ich nur Gewinne damit gemacht. Kann aber schon sein, dass ich das Zertifikat auch mal für ein paar Monate halten muss. Sollten sich meine Deividende weiterhin stabil entwickeln, könnte es auch sein, dass ich zukünftig komplett auf Zertifikate verzichten werde. Mal sehen, wo mich der Finanzmarkt so hintreibt 😉

Wie ist deine Meinung zu Derivaten? Hast du irgendwelche positiven oder negativen Erfahrungen mit Zertifikaten oder Optionsscheinen gemacht? Auf deine Erfahrungen bin ich sehr gespannt.

2 Kommentare

  1. Hey, coole Seite hier. 🙂

    Also bei den Faktor-Zertifikaten, würde ich sogar sagen, ist es noch schwerer irgendwie konstruktiv zu planen. Denn durch die Pfadabhängigkeit verlierst du ja sogar, wenn du eine Seitwärtstendenz am Markt hast. Der Markt muss also nicht einmal gegen dich laufen, damit du verlierst. 😀

    Also ich halte Faktor-Zertifikate für jede konstruktive Form von Vermögensaufbau ausgeschlossen. Und auch allen anderen Zertifikaten gegenüber bin ich in dieser Hinsicht kritisch eingestellt. Für den Vermögensaufbau möchte dann irgendwie etwas „Handfesteres“.

    Findest du nicht?

    Beste Grüße

    Oliver

    1. Hi Oliver,

      Ja ja die liebe Pfadabhängigkeit. Die hat mir in meinen Anfangszeiten beim Investieren schon 4-stellige Verluste beschert! Absolutes Teufelszeug. Mit Optionsscheinen, Faktor-Zertifikaten und gehebelten ETFs sollte nur der handeln, der wirklich etwas von der Sache versteht und tagtäglich am Markt ist. Sprich, ich halte es eher für Instrumente von Daytradern und absolut nicht für Privatanleger.

      Aber niemals zum Vermögensaufbau. Deine Ansicht stütze ich somit vollkommen!

      Liebe Grüße

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