Heute möchte ich mich mal über das wichtige Thema Aktien und Moral bzw. Moral beim Investieren auslassen. Wenn man sich wie ich leidenschaftlich gerne mit den Themen Börse und Finanzen beschäftigt, dann hat man meistens ein großes Problem: Es fehlen oft adäquate Gesprächspartner.
Entweder man erwischt die kapitalismuskritischen Dauerpessimisten, die Aktien, Geld und die Wirtschaft generell ablehnen oder man stößt einfach nur auf taube Ohren aufgrund Unwissens bzw. mangelndem Interesse an der Thematik. Frei nach dem Motto: Börse = so unangenehm wie Versicherungen *würg*.Ich muss also immer mal wieder feststellen, dass nicht Jeder ein riesiger Freund von Aktien und Geldanlage generell ist. Besonders oft wird da (typisch deutsch) die moralische Keule geschwungen und Aktien als Teufelszeug, Casino, Spekulation und Glücksspiel bezeichnet. Überwiegend natürlich vom politisch eher linken Spektrum. Aktien seien unmoralisch und beuten die armen Arbeiter aus. Angeblich seien Aktien und die Rendite aus ihnen „leistungsloses Einkommen„.
Nachfolgend möchte ich nun mal meine Gegendarstellung zum besten geben.
Inhaltsverzeichnis
Ist Aktienbesitz unmoralisch?
Nicht nur die Generation Y treibt ja bekanntlich die Sinnfrage um. Alles muss heutzutage einen Sinn, einen Purpose, haben und zur eigenen Linie im Leben passen. Seien es Work-Life-Balance, der Arbeitsplatz, der Freundeskreis oder das vorbildliche Verhalten der Umwelt gegenüber. Die Generation Z fokussiert den Umweltschutz sogar noch ein bisschen stärker.
Vermeintlich Alles steht unter dem Stern eines großen „Warum?„. Auch das Thema Aktien und Moral bzw. die moralische Geldanlage rückt hierbei gefühlt immer öfters in den Fokus. Geldanlage muss also auch einen Sinn haben und ein starkes „Warum“. Über den Sinn eines passiven Einkommens durch Aktien habe ich an anderer Stelle bereits geschrieben.
Über Aktien und Moral wird also gefühlt immer öfters gesprochen, somit zum Teil auch ziemlich kontrovers.
Sind Aktien leistungsloses Einkommen?
Einen weiteren Vorwurf liest man ebenfalls häufig: Aktien seien leistungsloses Einkommen. Nun, hiermit habe ich auch meine Probleme. Wieso? Weil das investierte Geld ebenfalls erwirtschaftet wurde, um überhaupt investiert werden zu können. Hier musste also schonmal Leistung gebracht werden. 150 % Rendite auf Null bleibt nunmal Null.
Das investierte Geld bringt ebenfalls Leistung, dadurch dass der Aktienkäufer ein unternehmerisches Risiko eingeht und dem Unternehmen Geld zur Verfügung stellte. Zumindest beim IPO bzw. einer Kapitalerhöhung des Unternehmens. Bei Einzelaktien besteht immer die Möglichkeit, dass ein Investor sein Geld verliert oder es erheblich an Wert einbüßt. Für dieses Risiko erhält er eine Prämie. Bei Anleihen einen festen Zinssatz, bei Aktien nunmal einen Anteil am Unternehmen mit allen Hochs und Tiefs.
Zudem muss im Unternehmen Leistung gebracht werden, damit das Unternehmen am Markt bestehen kann. Diese dritte Art der Leistung wird also von sämtlichen Mitarbeitern des Unternehmens erbracht.
Du siehst anhand meiner stark vereinfachten Beispiele: Aktienbesitz und das Einkommen daraus sind keinesfalls leistungslos. Leistungslosigkeit und Faulheit wird am Markt übrigens auch nicht sonderlich honoriert. Weder auf dem Arbeitsmarkt, noch in der Gesellschaft.
Moral liegt im Auge des Betrachters
Meine letzte Diskussion diesbezüglich hatte ich mit einem Gesprächspartner, der so gar nicht mit den Äußerungen von Friedrich Merz einverstanden war, wonach die Aktienanlage auch staatlich zur Altersvorsorge gefördert werden sollte, um Altersarmut zu bekämpfen. Sofort schrie natürlich medial das linke Parteienspektrum auf und empörte sich ob solcher neo-liberalen und kapitalistischen Äußerungen. So auch leider mein Gesprächspartner.
Da wird dem Herrn vorgeworfen, seinen ehemaligen Arbeitgeber Blackrock noch reicher machen zu wollen und nur „Werbung“ in eigener Sache zu betreiben. Nein, der [dumme] Deutsche soll lieber beim Sparbuch seiner moralisch einwandfreien Orts-Kreissparkasse bleiben und sich vom Börsenparkett der Milliardäre und bösen Eliten fernhalten. Das meine ich immer wieder zwischen den Zeilen herauszuhören.
Dass ich daher auch bewusste Manipulation dahinter vermute, habe ich bereits an anderer Stelle mehrfach schon erwähnt.
Aber ist es wirklich unmoralisch, in Aktien zu investieren? Meine Meinung dazu ein ganz klares NEIN. Ich finde sogar dass der Kapitalismus und Klimaschutz, ein uraltes Anliegen moderner Linker, ganz gut zusammen passen. Aber Aktien unmoralisch? No Way. Begründung folgt:
Aktien als basisdemokratische Teilhabe am Produktivkapital
Öh, wie bitte, was? Ja, meiner Meinung nach ist die direkte Beteiligung an guten Unternehmen eine sehr basisdemokratische Angelegenheit, die JEDEM offensteht. Mir konnte es bislang noch Niemand schlüssig erklären, wieso es denn auf der einen Seite ok und erwünscht sein soll, wenn man als Angestellter
- einen Großteil seiner Lebenszeit in „seiner“ Firma verbringt,
- von der Firma hierfür Geld bekommt und dadurch sein Leben bestreiten kann,
- der Firma dadurch seine Gesundheit (Arbeitgeberanteil GKV) und komplette wirtschaftliche Existenz (Gehalt) und Altersvorsorge (Betriebsrenten etc.) verdankt
es aber auf der anderen Seite unmoralisch sein soll, als Angestellter Aktien „seines“ Unternehmens zu kaufen.
Auf der einen Seite bist du doch einerseits überzeugt von deiner Firma, sonst würdest du dort (hoffentlich) nicht arbeiten, oder? Andererseits erwirtschaftest du als Mitarbeiter die Gewinne der Firma. Wieso solltest du dann nicht auch noch an den Gewinnen direkt in Form von Dividenden beteiligt werden?
Dort arbeiten und abrackern und die Firma gut finden, ja bitte! Dividenden und sich direkt an ihr durch Aktien wirtschaftlich beteiligen aber nein? Verstehe ich nicht.
Wenn du an deinem Unternehmen grundsätzlich zweifelst oder du das Geschäftsmodell und somit auch die Beteiligung daran durch Aktien unmoralisch findest und ablehnst, dann solltest du kündigen. Zum Wohle deines Karmas und deiner Lebenszufriedenheit.
Aber laber nicht von den unmoralischen Aktien und dass du als Mitarbeiter zugunsten der Aktionäre* ausgebeutet wirst und denen leistungsloses Einkommen ermöglichst.
Kleiner Exkurs in diesem Zusammenhang zum Thema Aktionäre:
Aktionäre haben deiner Firma seinerzeit Kapital zur Verfügung gestellt, wovon deine Firma Mitarbeiter (wie dich) eingestellt hat, Maschinen gekauft hat oder generell expandieren konnte. Andernfalls gäbe es die Firma vielleicht gar nicht mehr. Wenn du also gegen Aktionäre bist, dann sägst du strenggenommen auch am Standbein deines eigenen Unternehmens. Wer letztendlich gerade die Aktien hat, entscheidet sich an der Börse und ist der Firma im Grunde auch egal.
Im Gegenzug für die Ausgabe der Aktien hat deine Firma also Geld bekommen. Das Zur-Verfügung-Stellen von Geld und das Eingehen von Risiken ist also die „Leistung“ hinter dem vermeintlich „leistungslosen“ Einkommen durch Aktien. Für das Geld wiederum haben die Aktionäre ihrerseits Leistungen vollbracht im Sinne von ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt (z.B. als Arbeitnehmer).
Einen lesenswerten Artikel, der sich ebenfalls mit dem Thema Moral und Geldbesitz beschäftigt findest du hier.
Unmoralische Geschäftsmodelle
Anders kann es aussehen, wenn du tatsächlich moralische Einwände gegen das Geschäftsmodell einer Firma im Gesamten hegst und dich daher – weder als Arbeitnehmer, Konsument oder Aktionär – an ihr beteiligen möchtest. Das kann zum Beispiel bei Firmen der Fall sein, die in folgenden Branchen tätig sind:
- Rüstung
- Nahrungsmittel
- Rohstoffe (z.B. Ölfirmen)
- Tabak
- Alkohol
- Unterhaltungselektronik
In diesen Fällen kann ich nachvollziehen, dass manche Privatanleger die Finger davon lassen und dies mit moralischen Bedenken hinsichtlich der Geschäftspraktiken begründen. Kann ich grundsätzlich so auch akzeptieren. Freiheit heißt ja, dass Jeder selbst entscheiden darf.
Aber eines ist in diesem Zusammenhang unbedingt zu beachten, damit man sich nicht selbst belügt:
Das Unternehmen hat keinerlei Nutzen davon, wenn du dir als Privatanleger deren Aktien ins Portfolio packst! Im Gegenteil.
Das Geld der Investoren erhielt das Unternehmen bereits beim Börsengang bzw. bei einer Kapitalerhöhung durch Ausgabe weiterer Aktien. Der „Sündenfirma“ ist es also völlig schnuppe, wo die Aktien sind und ob ausgerechnet du nun Aktien über die Börse gekauft hast oder nicht.
Im Gegenteil: Man könnte es auch so sehen: Man kauft sich Aktien dieser umstrittenen Firmen und betrachtet die gezahlte Dividende als eine Art Strafsteuer von der der Anleger dann aber profitiert. Man nimmt des Unternehmen also einen Teil seiner Gewinne „weg“ und kann damit andere Dinge tun, die einem eventuell moralisch sinnvoller vorkommen.
Dennoch kann ich es nachvollziehen, wenn Anleger solche Firmen meiden, auch wenn ich mich eher an der obigen Argumentation orientiere.
Meine Meinung zu unmoralischen Investments
Ich persönlich habe daher auch kein Problem damit, auch in angeblich unmoralische Unternehmen zu investieren. Letztendlich trenne ich Moral und Investments strikt. Warum? Letztenendes entscheidet für mich die Rendite einer Anlage. Das klingt jetzt wirklich abscheulich, ignorant und ich kann es nachvollziehen, wenn sich dir hier gerade die Nackenhaare aufstellen, aber lass mich erklären:
Ich habe meine eigenen sehr festen moralischen Standards, denen ich tagtäglich in meinem Leben folge. Dinge die mir wichtig sind und ich unterstütze, werden von mir unterstützt – unabhängig von meiner Geldanlage.Wenn ich nun mehr Geld verdiene mit meinen Investments, habe ich wiederum mehr Geld, um meine Umgebung positiv zu prägen und mein Leben entsprechend meiner Werte freier zu gestalten. Überlege dir doch mal folgendes:
- Wieso solltest du ein Smartphone benutzen, dich aber nicht an der Firma die es herstellt über Aktien beteiligen und von den Gewinnen profitieren?
- Wieso solltest du (oder der ÖPNV) jeden Tag Benzin oder Diesel verbrauchen und dich dann aber nicht an einer Firma beteiligen, die diesen Rohstoff aufbereitet und zur Verfügung stellt?
- Manche Nahrungsmittelkonzerne beuten die Umwelt aus. Richtig. Aber wenn ich z.B. der Meinung bin, dass weltweiter rein biologischer Anbau keine 8 Milliarden Menschen satt machen kann, wieso sollte ich dann nicht in die Nahrungsmittelkonzerne investieren? Immerhin kann ich als Aktionär auch mein Stimmrecht auf der Hauptversammlung wahrnehmen und dadurch die Firmen ein Stück weit mit in meine moralische Richtung lenken. Funktioniert nicht auch Demokratie auf diese Weise?
Fazit: Eine Frage der Moral
Du siehst, ein heikles Thema. Was halte ich abschließend also fest?
- Aktien sind vom Grundsatz her nicht unmoralisch, sondern im Gegenteil: Basisdemokratie pur, an der JEDER teilhaben kann. Siehe hierzu folgenden Artikel: Wieso Guerilla sein?
- Manche Geschäftsmodelle können als moralisch bedenklich angesehen werden, hier muss Jeder selbst entscheiden, wie er dazu steht und ob er diese Firmen in seinem Depot haben möchte
- Ich persönlich trenne Investments klar von meiner Moral, ohne Letztere jemals zur Disposition zu stellen oder aufzuweichen.
- Von einer hohen Rendite kann ich mein eigenes Leben freier gestalten und z.B. mehr Geld spenden für Dinge die ich unterstützenswert finde. Mit einer „moralisch einwandfreien“ aber niedrigen Rendite, habe ich auch weniger zum Spenden bzw. das Leben frei zu gestalten. Die Frage ist nun, auf welche Weise ich einen größeren Teil zum Besseren der Welt beitrage? Für mich ist die Antwort klar.
- Wer heiliger als der Papst unterwegs sein möchte, der darf das gerne tun, dann aber bitte bis in die letzte Konsequenz. Nicht einfach wie die teils sahnehäubchenpickenden Moral mancher Minimalisten.
Gibt es 100% Moral überhaupt?
Im übrigen: Ich glaube nicht an DIE absolut ethisch-moralisch einwandfreie Institution. Jede Firma, jedes Unternehmen, jede Gemeinschaft, jeder Staat und jede Religion hat Dreck am Stecken. In letzter Konsequenz dürften wir also theoretisch dann gar nichts mehr konsumieren. Auch die Kirche müssten wir meiden und kein Auto mehr fahren. Ernährt wird sich nur noch aus dem eigenen Garten und sowieso:
Am besten auf eine einsame Insel auswandern und sich komplett von anderen Menschen fern halten. Und bei Hunger natürlich bloß keine Tiere auf der Insel essen…
Wer’s mag.
Weitere interessante Artikel, die sich mit dem Thema Aktien und Moral befassen:
- Investieren für eine bessere Gesellschaft
- Ist moralische Geldanlage rentabler?
- Diese Idee erfüllt die große Sehnsucht der deutschen Sparer
- Ethik und Moral bei der Geldanlage
- Moral und Ethik bei der Geldanlage
- Ethik und Moral bei der Geldanlage, darf man da überhaupt noch investieren?
Dieser Artikel wurde überarbeitet und erschien erstmalig am 28.12.2018.
Hallo ,
ganz einfach … ein toller Artikel, der viele Leser verdient hat.
Schöne Grüße
Uwe
Ich denke, dass jeder mit seiner Art zu leben, die Art wie er mit Geld umgeht und auch wie er es investiert eine große Verantwortung trägt, die nicht zu unterschätzen ist. Fakt ist, dass der Kapitalmarkt einen sehr großen Einfluss auf große Lebensbereiche sehr vieler Menschen hat, der weit über den Aktienhandel hinaus geht. Daher denke ich schon, dass je mehr Menschen mit ihren finanziellen Mitteln vom Kapitalmarkt abhängen, auch die Abhängigkeit aller dahingehend unterstützt wird, mit all den Folgen, die z. T. ja auch sehr negativ sind. Es gibt sicherlich Firmen die Interessen haben, die über Wirtschaftswachstum hinaus gehen, aber die meisten interessieren sich doch in erster Linie für Wachstum. Es lässt sich mit Aktien von Firmen, die weniger am Wachstum und mehr am Allgemeinwohl interessiert sind auch keine hohen Dividenden erzielen und das ist ja schließlich, was Aktionäre wollen. Auch wenn ich immer wieder mit dem Gedanken spiele in Aktien zu investieren, einfach, weil ich mir auch schöneres Vorstellen kann als 40 Std. die Woche arbeiten zu gehen, sehe ich es doch auch so, dass man dadurch, dass man noch mehr Geld in den Markt pumpt auch zur generellen Bedeutung des Kapitalmarktes und zur eigenen Abhängigkeit von diesem beiträgt und ich mir, wenn ich ehrlich zu mir bin, eigentlich Wünsche, dass Werte, die über das Wachstum vom Kapital hinausgehen an Bedeutung gewinnen.
Hallo Anne,
Danke für deinen Beitrag. Mir war es wichtig im Artikel aufzuzeigen, dass die Welt auch hier nicht immer Schwarz-Weiß ist (Aktien sind böse, Aktien sind immer supertoll). Dein Kritikpunkt, insbesondere an unserem heutigen System, kann ich sehr gut nachvollziehen.
Eines der Probleme in unserem Wirtschaftsystem sind tatsächlich die modernen Auswüchse der Geldpolitik. Wenn man ein inflationäres Schulden-Papiergeldsystem hat (FIAT-Money), dann führt dies eben mathematisch immer dazu, dass sich die Welt immer schneller drehen „muss“, damit nicht alles „zusammenbricht“. Das Geld strebt nämlich immer seinem inneren Wert entgegen und dieser ist bei Papiergeld eben NULL. Ich glaube das ist der Punkt, den du mit „Wirtschaftswachstum“ meinst und den viele Menschen mit mangelnder Wirtschaftsahnung gerne „Kapitalismus“, „Turbo-Kapitalismus“ oder „Neo-Kapitalismus“ nennen.
Ich denke daher, dass es in den nächsten Jahren eine der wichtigen Menschheitsaufgaben werden wird, ein (globales?) Geldsystem zu entwickeln, welches den begrenzten Ressourcen auf unserem Planeten auch gerecht wird und das nicht durch immer mehr Schulden aufgepumpt werden kann (siehe z.B. die Vorschläge von Thomas Mayer). Ähnliches war ja auch die Ambition des „Bitcoin“-Gründers damals. Ob und wie wir so ein neues System erleben (z.B. durch Gold gedeckt und dadurch limitiert?) wird sicherlich interessant sein zu beobachten. Hier würde dann die Packung Butter auch über die Jahre immer gleich viel kosten, allerdings gäbe es auch keine Gehaltserhöhungen etc. Und die GEZ dürfte ihren Beitrag auch nicht mehr erhöhen 😉 Dafür wäre vermutlich alles etwas stabiler und planbarer.
Deine pauschale Kritik an Aktien bzw. dem Aktienmarkt teile ich hingegen überhaupt nicht. Sind wir denn im Grunde nicht alle Marktteilnehmer? Egal ob Angestellte, Selbstständiger, Künstler, öffentlicher Dienst, im Endeffekt nehmen wir alle am „Markt“ teil durch unseren Beitrag und unsere Leistung. Dieser Markt ist weder gut noch schlecht in meinen Augen. Im Endeffekt sorgt er durch Angebot und Nachfrage dafür, dass die knappen Ressourcen auf der Welt zur Bedürfnisbefriedigung möglichst vieler Menschen dienen. Dadurch hat sich in den letzten Jahrhunderten ein stetig steigender Trend globalen Wohlstands ergeben (im Mittel geht es den Menschen aller Staaten dieser Welt heute besser als noch vor 30 Jahren). Leider kann man mit diesen „guten Nachrichten“ nicht viel Aufmerksamkeit erhaschen, weshalb die Medien sich gerne auch auf das Negative konzentrieren. „Bad news sell better“.
Unter anderem auf diesen Wohlstand führe ich überhaupt die Möglichkeit zurück, über wichtige Dinge wie den Klimawandel, die Natur, Artenschutz etc. überhaupt zu sprechen. Aber das ist ein anderes Thema.
Überspitzt formuliert: Würden wir alle den ganzen Tag nur durch die Gegend rennen und versuchen zu überleben, dann wären diese Themen vermutlich „Luxusprobleme“. Ich denke unser System hat die Welt im Großen und Ganzen durchaus auf einen passablen Weg gebracht, auch wenn es nicht perfekt ist (siehe Geldsystem) und sich in den kommenden Jahren reformieren lassen muss.
Wenn du aber Aktien kaufst, dann kaufst du diese nicht von den jeweiligen Unternehmen, sondern von anderen Marktteilnehmern über die Börse, also von anderen Menschen oder Institutionen. Die Firma hinter der Aktie hat ihr Geld zu diesem Zeitpunkt schon lange bekommen, nämlich als es die Aktien frisch herausgegeben hat.
Daher macht es in meinen Augen absolut keinen Sinn, Aktien zu boykottieren. Das lässt die Firmen in der Regel kalt, zumindest wenn unsereins für sein Alter damit vorsorgt. und das halte ich für essentiell. Alles andere ist ein ganz gefährlicher Tanz auf dem Vulkan der Altersarmut bzw. Pflegebedürftigkeit im Alter. Aktuell sehe ich hier keine Chancen gegen diesen Vulkan ohne die Hilfe von Produktivkapital zu gewinnen. Auch die staatlichen Subventionssysteme und Sozialtransfers (Hartz 4, Bedingungsloses Grundeinkommen etc.) wären ohne einen funktionierenden Kapitalmarkt nicht überlebensfähig, da es immer Steuerzahler geben muss, die durch ihre Produktivität die Steuern überhaupt ermöglichen.
Und überhaupt: Lebt nicht auch ein System wie die Gesetzliche Rente davon, dass möglichst viele Menschen „ausgenutzt“ werden und einzahlen, ohne etwas direkt davon zu haben?
So gesehen müsstest du in der Tat auch deine Angestelltentätigkeit und Einzahlung in die Rentensysteme kritisch hinterfragen.
Wie man es dreht und wendet: In meinen Augen spricht nichts gegen die Aktienanlage. Gerne mit einem individuellen Fokus auf Nachhaltigkeit, Menschlichkeit und ökologische Verantwortung. Auch solche Firmen gibt es. Alleine Justetf.com listet aktuell 114 ETF mit dem Augenmerk auf „Soziale & nachhaltige Unternehmen“. Vielleicht wäre hier ja was für dich dabei?
Ansonsten halte ich es so: Aktiensparen und mit dem Geld im kleinen und persönlichen Umfeld etwas „Positives“ bewirken. Sei es dadurch mehr Zeit für den Nachwuchs oder die Familie zu haben. Dadurch denke ich macht man die Welt auch schon ein gutes Stück besser.
Liebe Grüße
Schöner Artikel, der mir aber an einem Punkt nicht ganz richtig erscheint: Das Aktieninvestment bestätigt sehr wohl, die Firma, an der man sich beteiligt, in ihrem Kurs.
Die Kauforder stützt den Aktienkurs der Firma und dieser ist für sie keineswegs egal, auch wenn das Geld natürlich nicht direkt an sie fließt. Im Falle einer Kapitalerhöhung orientiert sich das Geld, das die Firma erhält, aber schließlich an dem gegenwärtigen Kurs. Außerdem ist es immer Ziel des Vorstandes den Wert der Firma für die Aktionäre zu steigern und damit den Aktienkurs zu erhöhen. Davon hängen nicht selten auch die erfolgsabhängigen Anteile der Gehälter der Vorstandsmitglieder ab.
Ob man sich dennoch an einem Unternehmen etwa aus der Rüstungsindustrie beteiligen möchte, bleibt die Entscheidung jedes Einzelnen. Ebenso, wie man die geringe Beteiligung an einem solchen Unternehmen über Fonds oder ETFs bewertet. Aber man sollte nicht glauben, dass das Aktieninvestment gar nicht mit der Realwirtschaft zu tun hätte.
Hallo Chris!
Danke für deinen Beitrag.
Ich gebe dir Recht, natürlich spielt es für ein Unternehmen eine Rolle ob man ihre Aktien kauft oder nicht.
Jedoch gilt dies eher für institutionelle Investoren, nicht für den Privatanleger. Der Artikel richtet sich eher an den Privatanleger. Eine Siemens-Aktie z.B. kann man durch den Kauf von wenigen Einzelaktien sicherlich nicht beeinflussen.
Wenn man jedoch als institutioneller Fonds ganze Aktienpakete kauft, sieht das natürlich anders aus, dann bewegt sich der Kurs natürlich.
Gruß
Hallo und vielen Dank für den interessanten Artikel. Ich möchte dir jedoch in diesem Punkt widersprechen. Ich bin der Meinung, dass man keine Unterscheidung zwischen „einfachen“ Privatanlegern und institutionellen Investoren treffen sollte.
Natürlich wird ein einzelner Aktienkauf nicht den Kurs beeinflussen, aber sollte das rechtfertigen andere moralische Maßstäbe anzusetzen?
Ich sehe eine passende Analogie im Klimawandel. Ist es sinnvoll als Privatperson auf seine individuellen Emissionen etc. zu achten? Wird ja schließlich am Weltklima nichts ändern…
Ist es sinnvoll, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht? Wir tragen ja schließlich auch „nur“ 2% der globalen CO2 Emissionen bei…
Dies muss letztlich jeder individuell beantworten. Ich bin jedoch der Meinung, dass nur weil andere Akteure einen größeren Einfluss haben, ist dies keine Rechtfertigung für sein eigenes Handeln geringere Standards anzusetzen.
Hallo Jens,
Danke für deine Kritik! Das Thema ist und bleibt eine heiße Kiste. Ich möchte nur einige Punkte zu bedenken geben, die mich bislang abhalten, in solche Anlagen bevorzugt zu investieren, egal ob sie nun ESG oder sonstwie heißen. Wie gesagt das sind nur einige Gedanken, die mir bei der Thematik in den Sinn kommen:
1) Wer legt die Auswahlkriterien fest? (Finanzmarktteilnehmer? NGOs? Rating-Firmen, die damit womöglich Geld verdienen? Politiker?)
2) Wer überprüft und überwacht die Kriterien? (Besteht überhaupt Einblick in die Bücher der Firmen oder richtet man sich „nur“ nach den Bilanzen usw. wo einiges drin stehen kann…oder weggelassen werden kann? (Greenwashing)
3) Wer legt die moralischen Maßstäbe von „Gut“ und „Böse“, „nachhaltig“ oder „verschwenderisch“ fest? Beispiel Öl-Firmen: Hier herrscht breiter Konsens, dass diese „böse“ sind und man nicht in sie investieren sollte. Dennoch nutzt Jeder Alltagsgegenstände aus Plastik, deren Grundstoff das Öl ist, welches diese Firmen fördern. Weiteres Beispiel Tabak- und Alkoholfirmen: Auch diese sind nach den Kriterien „böse“. Dennoch profitieren Staaten und Gesellschaften stark von deren Konsum (Steuereinnahmen). Ähnliches dürfte dann bald für Cannabis-Firmen gelten.
Waffenhersteller? Urböse. Dass man mit diesen Waffen aber in der Menschheitsgeschichte auch Unrechtsregime in die Knie zwang, dadurch Menschenleben gerettet und Umweltzerstörung unterbunden hat (ja, vor allem in sozialistischen Staaten ging es der Umwelt nie sonderlich gut!) interessiert hier auch nicht. Big Pharma, Nestle und Co. –> Allesamt „böse“. Wieviele Menschen sie vor dem Hungertod bzw. Krankheiten bewahrt haben taucht in der Rechnung nicht auf.
4) Wieso sind die ESG gerade ganz plötzlich seit Anfang 2019 en vogue? Ist da vielleicht eine Agenda dahinter? Manche sprechen ja schon von einem „Great-Reset“ der Weltwirtschaft, der durch Eliten durchgeboxt werden soll. Davor hat sich niemand groß dafür interessiert. Wenn ganz plötzlich etwas in den medialen Mittelpunkt kommt, bin ich tendentiell immer erstmal zurückhaltend. Ich frage hier dann auch immer zuerst „Cui bono“.
Zusammenfassend:
Ich nehme es niemandem übel, wenn er sich nach ESG-Kriterien richtet und so investiert. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind mir persönlich extrem wichtig. Auch plädiere ich stark dafür, dass man keinen allzu großen CO2-Abdruck auf dieser Welt hinterlassen sollte. Meine Rendite aber, die ich erwirtschafte, führt aber dazu, dass ich diesen Profit nach meinen Maßstäben „im Kleinen“ nutzen kann, um für meine Vorstellungen von Nachhaltigkeit einzustehen. Nicht nach den Vorstellungen einer Organisation, einem Staat oder von „Eiten“, die im Zweifel auch nur Lobbyarbeit betreiben. Hier bin ich dann lieber mein eigener Lobbyist 🙂
Zudem sehe ich es so: Sollten sich die ESG-Kriterien politisch weltweit immer mehr durchsetzen, so werden die Unternehmen automatisch gezwungen, sich diesen Kriterien anzupassen. Kaufe ich im Rahmen einer passsiven Welt-Anlagestrategie die ganze Weltwirtschaft, investiere ich dadurch dann auch automatisch in Nachhaltigkeit, einfach weil diese dann zum verbindlichen „Grundgesetz“ der Firmen wird. Im Idealfall weltweit.
Kurzum: Für mich ist moralisches Investieren immer gefiltertes Investieren. Diese Filtermechanismen sind aber sehr intransparent und zu sehr meinungsabhängig, weshalb ich auf sie aktuell verzichte und wie du schreibst lieber „im Kleinen“ meinen Teil zum großen Ganzen beitrage.
LG
DANKE für den ausgezeichneten Artikel. Klar, auch ICH habe Aktien nach meinen ganz persönlichen ethisch-moralischenb Vorgaben im Depot. Ob das bei allen Fonds/ ETFs so ist, kann man nur vermuten….
Auf den Seiten von Obermatt wird dieses Thema u.a. übrigens auch sehr gut abgehandelt
Ein wichtiges und interessantes Thema, über das ich auch viel nachgedacht habe. Gerade wer in ETFs investiert, nimmt ja durchaus in Kauf, dass er am Erfolg „böser Unternehmen“ (subjektiv) partizipiert.
Ich sehe da im Wesentlichen zwei Hauptpunkte, von denen du einen auch erwähnt hast, den anderen möchte ich gerne noch zur Diskussion hinzufügen.
1) Das Unternehmen hat keinen direkten Vorteil von meinem Investment. Klar, ein hoher Aktienkurs kann vorteilhaft sein, aber mein investiertes Geld fließt bei einem Aktienkauf an der Börse nicht in das Unternehmen. Das ist mir wichtig und das hast du ja auch geschrieben.
2) Kann ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, Geld von einem „bösen Unternehmen“ zu erhalten (Dividende oder Kursgewinn). Und ich persönlich sehe da kein Problem. Mir kommt das eher wie ein Schmerzensgeld vor. Es gibt viele Missstände in der Welt und ich kann vielleicht ein oder zwei aktiv verbessern. Mit allen anderen muss ich leben (Krieg, Umweltverschmutzung, mein Nachbar raucht auf dem Balkon und ich muss meine Fenster schließen…). Da kann ich persönlich damit leben, wenn ich wenigstens über die Dividende ein bisschen Geld von meinem Nachbarn bekomme.
Wie seht ihr das?
Hallo Gotlieb!
Danke für deinen Kommentar. Ich finde deine Einstellung super und deine angebrachten Punkte vollkommen einleuchtend. Ich habe meinen Artikel daher auch etwas überarbeitet und diese Sichtweise (keinen direkten Vorteil des Unternehmens) noch deutlicher herausgearbeitet.
In der Tat könnte man Dividenden von Sündenfirmen als eine Art „Strafsteuer“ oder wie du schreibst „Schmerzensgeld“ betrachten. Nur bekommt diese Steuer eben nicht der Staat sondern der Anleger, der dann die freie Wahl hat, was er mit dem Geld macht (Spenden, verschenken etc.).
Moral und Investieren sollte man daher strikt voneinander trennen.
Gruß