China produziert derzeit ziemlich auffällig viele Negativschlagzeilen. Waren insbesondere die Tech-Werte vor knapp einem Jahr noch allesamt Highflyer, wird aktuell auf hohem Niveau korrigiert. Vorbei die Euphorie über die kommende Weltmacht samt neuer „Amazons“ etc. Auch wurde China in Sachen Elektromobilität die baldige Marktführerschaft angedichtet. Teilweise verloren Einzelwerte in den letzten Monaten über 20 Prozent an Wert, ein Ende ist aktuell noch nicht absehbar. Doch was genau ist passiert und wie tangiert mich in meinem Depot die aktuelle Situation? Darum soll es heute gehen.
Inhaltsverzeichnis
Aktuelle (starke) Korrektur in China
Man kann China also durchaus eine aktuell laufende Korrektur attestieren. Begrifflich kann man sogar von einem „Crash“ sprechen, da die Korrekturen teils heftig waren/sind. Insbesondere die Tech-Werte haben massiv korrigiert. Bei den Entwicklungen kommt einem das große Gruseln:
- Tencent fiel in den letzten 3 Monaten um stattliche 22,30 Prozent. War der Kurs am 17.06.2021 noch bei über 65 Euro, hat die Aktie aktuell nur noch einen Wert von knapp 50 Euro (Stand: 17.09.2021)
- Alibaba crashte im gleichen Zeitraum von 229 Dollar je Aktie auf 159 Dollar
- JD.COM hat es weniger stark erwischt und holte seine Verluste inzwischen größtenteils wieder auf. Von 79,81 Dollar (30.06.2021) ging es aber im Tief bis auf 62,19 Dollar am 19.08.2021 abwärts. Inwzischen notiert aber zumindest dieser Wert mit heute knapp 77 Dollar nur noch knapp unter dem 3-Monatshoch. Am 16.02.2021 jedoch waren wir bei 106,88 Dollar je Aktie. Schmerzhaft!
- Chinas größte Immobilienfirma Evergrande korrigierte um sagenhafte 82,30 Prozent innerhalb eines Jahres. Vor einem Jahr kostete eine Aktie 1,80 Euro, heute notiert sie bei 0,36 Euro (16.09.2021).
Du siehst, irgendetwas scheint aktuell im Reich der Mitte nicht zu passen. Solche Korrekturen in einem mit Notenbankgeld gefluteten Umfeld ohne „echte“ Krisen scheint auf den ersten Blick außergewöhnlich.
China-Crash aufgrund der Politik?
Wer nun tatsächlich die Schuld an den starken Korrekturen hat, obliegt nicht meiner Beurteilung. Man kann aber dennoch davon ausgehen, dass die aktuelle Politik der kommunistischen Führung in China nicht unschuldig an der aktuellen Situation ist. Auch der Konflikt um die Weltspitze mit den USA dürfte hierbei eine entscheidende Rolle spielen.
Dass gerade Corona wieder stärker in China wütet und die No-Covid-Strategie der Parteiführung an ihre Grenzen führt, kommt aktuell noch erschwerend hinzu. Ein insgesamt recht toxischer Mix, der gerade entsteht.
Aber schauen wir uns mal an, was in den letzten Monaten in China passiert ist. Vielleicht können wir die Situation dann besser einschätzen. Auffällig ist jedenfalls, dass fast alles Nachfolgende in den letzten knapp 9 Monaten stattfand:
Belastende Ereignisse in China
Die nachfolgenden Beispiele sind nur exemplarisch und recht tagesaktuell. Da der Crash aber ziemlich genau mit den ersten Handlungen der chinesischen Führung startete, düften sie dennoch zumindest mit Schuld an der aktuellen Misere sein:
- Nachdem Großbritannien im Jahre 1997 Hong Kong die Unabhängigkeit zugestandt und Peking den demokratischen Sonderstatus (Sonderverwaltungszone) akzeptierte, weht nun auch in Hong Kong der Geist der Diktatur, politische Gegner werden mundtot gemacht, verfolgt und inhaftiert
- Die kommunistische Führung mischte sich in die Geschäfte von Alibaba ein und verpasste dem CEO Jack Ma einen Maulkorb, da sie ihre Macht in Gefahr sahen
- Im Konflikt mit den USA droht chinesischen Aktien ein De-Listing von den amerikanischen Börsen wie der NASDAQ oder NYSE
- China beschränkt die Videospielzeit für Kinder auf 3 Stunden in der Woche und schockte damit Unternehmen der Gaming-Industrie (u.a. Tencent)
- Die Führung geht gegen „abnormale Ästhetik“ vor und verbietet in diesem Zuge „unmännliche“ Videospiele. Der Gesellschaft generell attestiert sie eine Verweichlichung
- Privaten Bildungsanbietern wird verboten, profitorientiert zu wirtschaften, was zu einem Abfluss von Milliardeninvestitionen führte
- Der chinesische Immobiliengigant Evergrande ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten und droht von seiner Schuldenlast erdrückt zu werden. Manche sehen hier bereits die Gefahr einer neuen globalen Finanzkrise heranwachsen!
Wie man es dreht und wendet: Derzeit knirscht es ordentlich im Getriebe. Ob die letztgenannte drohende Pleite im chinesischen Immobilien-Markt tatsächlich zu einer globalen Finanzkrise führt, wird man sehen. Die letzte Finanzkrise 2007/2008 hatte jedenfalls auch hierin ihren Urspung. Schwarzer Schwan welcome?
China als Investment?
Wie also umgehen mit der Gefahr des China-Crashs? Nunja, es kommt darauf an, wie du konkret in China investierst und ob überhaupt. Ich investiere in China indirekt über meine EM-ETFs und direkt über wenige Einzeltitel im Einzelaktien-Depot (korrekterweise nicht in die Aktien direkt sondern Spezialkonstruktionen auf den Kaiman-Islands). Bei den ETFs ist die Situation in meinen Augen unproblematisch: Sollte China kollabieren und seine Unternehmen weiterhin an Marktwert verlieren, wird beim passiven Investieren in einem Welt-Portfolio China einfach schwächer und nach und nach durch andere Märkte/Unternehmen ersetzt. Indien reibt sich hier dann vielleicht schon bald die Hände.
Natürlich wird dies in den Kursen der MSCI Emerging Markets-ETFs seine Spuren hinterlassen, langfristig dürfte es aber nicht allzu schlimm werden.
Anders bei Einzelaktien: Wenn du unglücklicherweise in eine Aktie investiert bist, die 82 Prozent verloren hat, ist es fraglich ob diese Verluste überhaupt jemals aufgeholt werden. Die Aktie muss hier 455,56 % machen, um diesen Verlust wieder reinzuholen.
Was mache ich?
Bei mir sieht die Situation daher so aus: Meine ETFs laufen einfach weiter und wenn China sich dazu entscheidet, seine Position im MSCI EM durch solche politischen Maßnahmen zu schwächen – bitte. Hier werde ich also gar nicht tätig, egal wie groß der Crash tatsächlich wird. Juckt mich nicht, die ETFs passen sich automatisch den globalen Gegebenheiten an.
Ich bin aktuell (Stand 17.09.2021) langfristig in folgende China-Aktien investiert (keine Anlageempfehlung!):
- Tencent
- JD.COM
- XIAOMI
Hier hoffe ich natürlich, dass sich die kommunistische Führung irgendwann berappelt und die Tragweite ihrer Entscheidungen erkennt. Wohlstand für ihre Bürger wird sie so wohl nicht schaffen. Das wiederum bringt die Gefahr von Revolten mit sich. Armut mögen die Leute nicht, vor allem wenn sie mal reich waren. Vielleicht kommt also ein Umdenken.
Bei meinen Einzelaktien beobachte ich die politische Situation also ganz genau. Wenn sich hier nichts bessert oder ich gar durch ein De-Listing zu Handlungen gezwungen werde, löse ich diese Positionen auf. Plan ist aber auch hier zunächst 5 Jahre zu halten und dann ggf. Konsequenzen zu ziehen. Insgesamt machen diese Positionen ohnehin nur 5 Prozent des Depots aus. Dank der fallenden Kurse immer weniger.
Fazit:
Die aktuelle Situation beunruhigt tatsächlich. Nicht aufgrund der gefallenen Kurse. Dies war in meinen Augen abzusehen. Zu „hipp“ war ein Investment in China noch vor einem Jahr. Die NIOs, NIUs, BYDs etc. waren derartig gehypet, dass eine Korrektur nur logisch war. Anders sieht es mit dem politischen Klima aus: Ich hoffe nur, dass China irgendwann den Pfad der Freiheit erkennt und für sich wählt. Bislang gelang es nachweislich noch keinem kommunistischen oder totalitären System, langfristig für Wohlstand seiner Bürger zu sorgen. Es endete immer gleich: In Armut, Verwüstung, Umweltverschmutzung und Tod. Wohlstand für alle ist aber einer der Punkte des Jahresplans der Führung.
Mit Regulationen, Eingriffen in den Markt, Verboten und Zensur ist dies aber noch keinem Staat gelungen.
Wie investierst du in China? Hast du chinesische Einzelwerte? Wenn ja, welche?
Schwierige Situation in China zur Zeit. Dass Evergrande abgewickelt werden muss, wird ja in den letzten Tagen seit deinem Post immer deutlicher. Effektiv werden aber da in erster Linie die einzelnen Gemeinden, Distrikte/Regionen die Kröte schlucken müssen, international wird die Führung versuchen das Beben innerhalb der Landesgrenzen zu halten, damit man das Gesicht nicht verliert.
Entsprechend rechne ich nicht mit einem nachhaltigen „Absaufen“, schon gar nicht auf Ebene der bekannten EM-Indizies (neben MSCI meine ich da insbesondere auch FTSE). Ich baue mein Weltportfolio seit vielen Jahren auf Stufe Welt-BIP in Kaufkraft-Paritäten auf, wobei ich innerhalb des Bereichs „EM“ die asiatische Region seit jeher deutlich übergewichte, um der Rolle Chinas im Weltmarkt gerecht zu werden.
Wenn das jetzt mal für ein bis zwei oder drei Jahre doch wider Erwarten einen Dämpfer geben sollte, dann sind das perfekte Kaufgelegenheiten, die sich dank der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität und Chinas Vorgehensweise zur Erschliessung von Rohstoffvorkommen insbesondere in Afrika (muss man nicht gut finden, ist aber aktuell unvermeidlich) schon kurze Zeit später auszahlen werden.