Immer wieder werde ich gefragt, ob es sich heutzutage überhaupt auszahlt, in ETF zu investieren und ob nicht die Einzeltitelauswahl von Aktien sinnvoller ist. Oder einfach „All-in“ in Bitcoin zu gehen. Sind Renditen mit ETF nicht in gewisser Weise nach oben gedeckelt, sodass richtig hohe Renditen mit ETFs gar nicht möglich sind? Andere formulieren die Frage so: Kann ich mit ETF auch Millionär werden? Wenn ja, wie lange dauert das?
Nun, dieses Thema möchte ich heute mal näher beleuchten und mit dir ein paar Beispielszenarien durchrechnen. Vielleicht erkennst du deine eigene finanzielle Situation ja an dem einen oder anderen Beispiel wieder.
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Inhaltsverzeichnis
ETF oder Einzelaktien?
Dass ich beim Thema ETF vs. Einzelaktien selbst auch gespalten bin, kannst du bereits aus meinen beiden Artikeln
herauslesen.
Sprich: Man kann für beide Seiten sehr gute Argumente finden. Aktuell geht meine Tendenz eher in Richtung ETF, da wir in meinen Augen in ziemlich disruptive Zeiten hineinstolpern und manche Geschäftsmodelle, die ganze Jahrzehnte womöglich funktioniert haben, heutzutage teilweise an ihre Grenzen stoßen, was auch auf die langjährig zuverlässig gezahlten Dividenden auswirken würde. Eine pure Dividendenstrategie scheidet daher für mich auch kategorisch aus.
Zudem erfordert die passive Anlage in ETF einfach weniger (Lebens-)Zeit und sorgt für eine gewisse Automatisierung und somit positive Sturheit in Sachen Investieren. Nicht umsonst predigt auch Tim Schaefer in seinem gelungenen Blog regelmäßig das stetige und sture Investieren. Völlig zu Recht!
Ich will und muss mich nicht tagtäglich mit dem Marktlärm und der Konjunktur beschäftigen, sondern kann mich auf andere Bereiche fokussieren (Business, Karriere, Familie, Freunde, Hobbies).
Dennoch halte ich auch noch ein paar Einzelaktien. Ich verfolge daher einen Core-Satellite-Ansatz. Kern sind ETFs, die Einzelaktien schwirren drumherum und fliegen hin und wieder mal raus, neue kommen herein.
Daher bleibe ich nachfolgend mal bei ETF auf dem Weg zur Million. Wie sieht bei ETF die Rendite aus?
Welche Renditen sind mit ETF möglich?
Mit globalen ETF bekommst du in der Regel die Marktrendite irgendwo zwischen 6-10 Prozent p.a. Nicht mehr, aber auch nicht weniger (die Transaktionskosten, laufenden Kosten des ETF und den Tracking Error mal ausgenommen).
Wenn du den globalen Markt auf ETF-Basis trotzdem schlagen willst, so gibt es auch hier einige Möglichkeiten. Hier sind einige Beispiele wie du mit ETFs den Markt schlagen kannst:
- Du kombinierst ETFs verschiedener Art und hoffst, dass am Ende eine höhere Rendite als beispielsweise beim MSCI ACWI herauskommt (Branchen-ETFs, ETFs nach Regionen etc.).
Beispiel: Du hast 2 ETF im Depot, einen globalen MSCI ACWI und einen NASDAQ 100. Wenn der NASDAQ 100 weiter so performt wie in den letzten Jahren, hättest du mit diesen beiden ETFs schon den „Markt“ (MSCI ACWI) geschlagen, da der NASDAQ 100 die Rendite pusht.
- Zweite Möglichkeit ist, wenn du deinen globalen ETF in Korrekturphasen aggressiv nachkaufst. Dadurch steigerst du auch die Rendite des ETF über Marktniveau.
Beispiel: Du hast einen ACWI-ETF, der zum 31.12. einen Wert von 100 Euro je Anteil hat. Ein Jahr später ist der ETF bei 105,50 Euro. Rein rechnerisch hättest du also die Marktrendite von 5,5 % mitgenommen, wenn du ihn einfach nur gehalten hättest. Wenn der ETF aber im Jahresverlauf auf 85 Euro eingebrochen wäre und du dann Stücke nachgekauft hättest, dann wäre deine Rendite zum 31.12. wesentlich höher.
Durchschnittskosteneffekt per Sparplan (Cost Avarage)
Du hättest damit dann den „Markt“ geschlagen, da du mehr Anteile des ETF zu einem niedrigeren Einstiegspreis hättest. Dies wäre meine Empfehlung, die sich diese Taktik auch sehr einfach und mit wenig Aufwand umsetzen lässt
- Einen ähnlichen Effekt hast du auch mit einem ETF-Sparplan: Durch den automatisierten Kauf bekommst du bei niedrigen Kursen mehr Anteile ins Depot und bei hohen Kursen weniger. Allerdings schlägst du damit nicht zwangsläufig den Index. Es kommt immer auf die Volatilität und deine Ausführungszeitpunkte des ETF-Kaufs an. Zudem hängt es immer vom Verhältnis der Sparquote zur Gesamtsumme ab.
Ein Depotwert von 100.000 Euro wird durch einen Sparplankauf in Höhe von 100 Euro nur unwesentlich verbilligt. Durch diesen Durchschnittskosteneffekt kannst du also grundsätzlich den Index schlagen, muss aber nicht sein.
Wie lange dauert es, mit ETF zum Millionär zu werden?
Viele wollen die Million Depotbestand erreichen. Ist das mit ETFs möglich? Wenn ja, wie lange dauert das? Kurz vorweg: Ja, mit einem ETF kannst du Millionär werden. Nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Aber das dauert.
Für folgende Beispielsrechnungen unterstelle ich jeweils eine Performance von 7% p.a. und einen globalen Aktien-ETF, zum Beispiel den FTSE All-World oder ACWI). Zudem erfolgt keine Berücksichtigung der Steuer (Thesaurierer, individuell), der Inflation (schwer zu prognostizieren) und von eventuellen Dynamiken. Sprich die Sparplan-Rate bleibt immer gleich.
Spaßeshalber habe ich dahinter noch die Dauer bei angenommenen 10% Rendite p.a. aufgeführt, wie sie der S&P 500 oder NASDAQ 100 in den letzten 10-15 Jahren locker lieferten:
Szenario 1: Der Traumtänzer
Startkapital: keines
Sparplan: 100 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 59,80 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 45,98 Jahre)
Der Traumtänzer geht davon aus, dass es ausreichend ist, einen ETF-Sparplan zu starten und einfach laufen zu lassen. Der Reichtum kommt schließlich von ganz allein und automatisch. So weit so gut und auch sinnvoll. Er wird trotzdem im Alter besser dastehen als viele Anderen.
Wenn aber wirklich die Million das Ziel ist, dann sollte er bereits in sehr jungen Jahren mit dem Investieren beginnen.
Rechnerisch würde es nämlich knapp 59,80 Jahre bis zum Endkapital von 1.001.992,02 Euro dauern. Als 20-Jähriger hättest du also erst kurz vor dem Check-In im Friedhof dein Ziel erreicht.
Szenario 2: Der blutjunge Berufsanfänger
Startkapital: 20.000 Euro
Sparplan: 300 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 39,37 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 30,26 Jahre)
Ambitionierter und knapp 20 Jahre früher, kann sich der junge Berufsanfänger freuen, der mit einem Startkapital von 20.000 Euro und einem ETF-Sparplan von 300 Euro pro Monat etwas mehr Gas gibt. Rechnerisch hätte er nach 39,37 Jahren ein Endkapital von 1.003.462,56 Euro. Nicht schlecht.
Szenario 3: Der berufserfahrene und sparsame Single
Startkapital: 50.000 Euro
Sparplan: 500 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 30,42 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 23,49 Jahre)
Der berufserfahrene und sparsame Single ist in seinen 30ern und schafft es tatsächlich, 500 Euro pro Monat zur Seite zu packen. Zusätzlich startet er mit einer Finanzspritze von 50.000 Euro, die er sich seit dem Studium und seinen ersten Jahren Berufserfahrung zusammengespart hat.
Der Berufserfahrene kann sich nach 30,42 Jahren rechnerisch über ein Endkapital von 1.005.838,90 Euro freuen.
Der gute Mensch hätte somit knapp vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter von 67 Jahren seine Million safe. Wenn er im Alter von 30 Jahren anfängt, könnte er sogar mit 60 dann aufhören und von seinem Depot leben.
Szenario 4: Der Frugalist und Workaholic
Startkapital: 100.000 Euro
Sparplan: 1500 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 18,31 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 14,81 Jahre)
Er/sie braucht Wenig bis Nichts. Wohnt in einer kleinen Einzimmerwohnung, containert sein Essen, hat langjährig schon einen gut bezahlten Hauptjob und übt zusätzlich eine Nebentätigkeit aus. Kostenintensive Hobbies sind ihm/ihr ebenso fremd, wie kostspielige Luxus-Urlaube. Er/sie ernährt sich günstig und gesund, meidet Alkohol, Ausgehen, Diskos und Abonnements.
Teure Dates und Partnerschaften spart er/sie sich ebenfalls, von Nachwuchs ganz zu schweigen.
Er/sie hat noch nicht mal einen Fernseher. Zum Telefonieren reicht sein/ihr altes Nokia 3310, nur der Laptop ist einigermaßen up to date. Der Biomüll landet auf seinem/ihren liebevoll gepflegten Balkon-Kompost.
Der Typ „Frugalist“ übt sich in Selbstkasteiung und Aufopferung für eine bessere Umwelt und seine persönliche Freiheit. Als Verzicht empfindet er seinen Lebensstil (angeblich) nicht.
Der Erfolg mag ihm Recht geben: Rein rechnerisch hätte er nach 18,31 Jahren die Million erreicht. Er hätte auf seinem Depot ein Endkapital von 1.001.975,19 Euro.
Bei seinem Lebensstil hätte aber vermutlich auch die Hälfte ausgereicht, um halbwegs finanziell unabhängig leben zu können.
Szenario 5: Der wohlbehütete Erbe
Startkapital: 300.000 Euro
Sparplan: 700 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 14,39 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 10,80 Jahre)
Dieser Glückspilz! Er erbt von seinen Eltern eine Immobilie, die er für 300.000 Euro verkauft. Dieses Geld investiert er in seinen ETF und spart obendrein monatlich eine stolze Summe von 700 Euro per Sparplan.
Der glückliche Erbe hätte somit rechnerisch nach 14,39 Jahren ein Endkapital von 1.002.024,45 Euro.
Wäre dieser junge Mensch 25 Jahre alt, könnte er tatsächlich den Traum vieler Menschen von der Rente mit 40 erreichen. Mit 1 Million in einem guten, ausschüttenden ETF mit einer (im Optimalfall wachsenden) Ausschüttungsrendite von 3%, kann man sich bereits realistisch eine ewige Rente von knapp 2500 Euro pro Monat konstruieren.
Ohne dass das Stammkapital aufgezehrt wird, ja es wächst sogar im Gegenteil noch geringfügig weiter. Hier gilt für Manche dann: Ziel der finanziellen Unabhängigkeit erreicht!
Szenario 6: Der Überflieger
Startkapital: 500.000 Euro
Sparplan: 1500 Euro / Monat
Spardauer bis zur Million: 7,41 Jahre (bei 10% Rendite p.a.: 5,71 Jahre)
Der Überflieger mag Leistung! Er hat in jungen Jahren ein Unternehmen gegründet und schon früh angefangen, Geld zu verdienen. Mit Finanzen und Wirtschaft kennt er sich aus. 80 Stunden Arbeitszeit pro Woche? Für ihn kein Problem. Wochenenden? Theorie aus grauer Vorzeit.
Aus dem Verkauf seiner als Schüler gegründeten Firma hat er 500.000 Euro erhalten, die er unmittelbar in seinen ETF investiert hat. Seine laufende erfolgreiche Selbstständigkeit heute ermöglicht ihm zudem eine Sparrate von 1500 Euro pro Monat, die er ebenfalls in den ETF packt. Sein Lebensstil bleibt dabei unauffällig und bodenständig.
Heute, 7,41 Jahre später, beträgt sein Endkapital 1.000.334,01 Euro. Die konstruierte „ewige Rente“ verschafft ihm einen zusätzlichen Cashflow von 2500 Euro im Monat. Er KÖNNTE sich damit zur Ruhe setzen, was er aber nicht tun wird. Zu langweilig wäre ihm ein Dasein als Privatier…
Stattdessen lässt er den ETF weiter für sich arbeiten, hält seine Sparrate konstant und konzentriert sich mehr auf seinen Erfolg und seine Lebenszufriedenheit und weniger auf seinen Depotstand. Nach weiteren 8,59 Jahren wäre passiv die zweite Million erreicht.
Fazit: Millionär mit einem ETF? Ja, wenn…
Du siehst also, es ist grundsätzlich überhaupt kein Problem, mit einem ETF Millionär zu werden. Es hängt lediglich von deiner zur Verfügung stehenden Lebenszeit, deiner Sparrate, deinem Ehrgeiz und deinem Startkapital ab. Zusätzlich natürlich noch von weiteren Faktoren in deinem Leben (Familie, Gesundheit, Schulden…). Learnings:
- Je nach deinem Gehalt geht es schneller, je nach deiner familiären Nachwuchssituation dauert es unter Umständen etwas länger.
- Mit ETF erhältst du grundsätzlich den Marktdurchschnitt als Rendite (bei globalen, breiten ETF). Diese Rendite kannst du durch cleveres Zukaufen in Schwächephasen teils erheblich „pimpen“ oder in Kombination mit anderen ETFs (Branchen, Momentum, Smalll Caps, Regionen) steigern
- Bereits eine um jährlich „nur“ 3% höhere Rendite verkürzt die Zeit bis zur Million um mehrere Jahre! Das soll aber keine Anregung zum „Performance-Chasing“ sein. Dadurch zerschießt du dir eher die Performance deines Depots langfristig
- Früh anfangen lohnt sich in jedem Szenario!
Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass Manche die obigen Beispiele als „Investment-Pornografie“ mit vielen Wenns und Abers empfinden könnten.
Trotzdem finde ich es immer wieder sinnvoll, sich in Zeiten wo man angeblich ach so leicht mit Kryptowährungen Millionär werden kann, auch vor Augen führt, wie lange so ein Prozess seriöserweise dauern kann.
Wie ist deine Meinung zum Thema Millionär mit ETFs?
Danke für deinen Beitrag
Ich halte mich ja immer gerne an den (alten) Spruch des Finanzwesirs der früher mal auch der ETF Prediger war – ich will nicht zwingend Millionär werden, sondern vor allem will nicht bettelarm sterben 🙂
Und das werde ich mit meinen ETFs auch schaffen wenn das weiterhin so läuft…
Hallo Thomas B.,
Wahre Worte. Zum einen über den Wandel des Finanzwesirs, zum anderen über die ETF als nach wie vor sehr empfehlenswerte Dauerlösung für den intelligenten, effizienten und faulen Vermögensaufbau 🙂